Vermessungsseiten durchsuchen
Besucher seit 2003:


Entwicklung des Vermessungswesens


Der Rückblick in die Geschichte zeigt bemerkenswerte Eigenschaften und Funktionen des Vermessungswesens in den verschiedenen Kulturen und Staaten auf. Aus der Fülle der vorliegenden Quellen seien jene betrachtet, welche in der Frühzeit die Entwicklung in Ägypten, in Griechenland, im römischen Reich, in China. Arabien und die neuere Entwicklung ab dem 16. Jahrhundert aus weltweiter Sicht betrachtet.

Ägypten


Ab etwa 4000 v. Chr. entwickelten sieh im Mittelmeerraum unabhängig voneinander die Kulturen Ägyptens und Mesopotamiens. Das Geschehen in Ägypten wurde durch den Nil geprägt, der weitflächiges Schwemm- und Weideland im Mündungsdelta und einen schmalen fruchtbaren Landstreifen entlang des Oberlaufes durch jährliche Überschwemmungen bereitstellte. Hinter diesen breitet sieh die Wüste aus. Die Errichtung und Erhaltung von Ent- und Bewässerungsanlagen, der Bau von Tempeln und städtischen Siedlungen und die Einrichtung, von Bergwerksanlagen sowie die Aufteilung des überschwemmten Landes durch die Vermessung waren wichtige Aufgaben für die Gesellschaft. Hier diese wurden besondere Techniken entwickelt.

Über mathematische Grundlagen hierfür und Hinweise für die Anwendung wird in einem etwa 1500 v. Chr. verfassten Papyrus berichtet. Die Absteckung der Tempel, Pyramiden, städtischen Anlagen, Wasserleitungen und Tunnel für den Bergbau, die astronomische Orientierung der Bauwerke sowie die Festlegung des mit der mittleren Nilflut zusammenfallenden Beginns des Jahres waren Aufgaben der Vermessung. Die Landes- und Ingenieurvermcssung war in Ägypten auf einem hohen Stand. Ihre Tätigkeit und die durch sie vermittelten Informationen haben den Ablauf des bürgerlichen Lebens wesentlich beeinflusst. Die Informationen standen aber nur wenigen, nämlich den Regierenden, zur Verfügung. Für den einfachen Mann waren nur die Auswirkungen von Bedeutung. Dies gilt aber nicht für die Erdmessung. Die Erde wurde als eine vom Nil durchflossene und vom Meer umgebene Scheibe angesehen. Vier Stützen trugen das Himmelszelt. Die Frage, ob die Erdscheibe rund oder viereckig sei wurde diskutiert. Die über die gesamte Erde und ihre physikalischen Eigenschaften vermittelten Informationen waren gering.

Griechenland

Andere Verhältnisse lagen in Griechenland vor, das die Nachfolge der Ägypter und Mesopotamier auf kulturellem Gebiet antrat. Im Lande Homers wurde bereits im 8. Jahrhundert v. Chr. versucht mit wissenschaftlichen Verfahren der Naturphilosophie Gründe für die bisher festgestellten Erscheinungen in der Natur zu finden. Dies führte zu gewaltigen Fortschritten in der Erdmessung, aber auch die Landes- und Ingenieurvermessung wurde gefördert.

In der 2. Hälfte des 6. Jahrhunderts v. Chr. kam Pythagoras auf Grund von philosophischen Überlegungen zum Schluss, dass die Erde eine kugelförmige Gestalt habe. Nach Diskussionen über die physikalische Möglichkeit dieser These, vor allem der Frage, wie im gegenüberliegenden Punkt, dem Antipoden, die am Kopf stehenden Menschen existieren können, teilte etwa 200 Jahre später Aristoteles physikalische Beweise hierfür mit. Nach weiteren 200 Jahren, um 340 v. Chr. bestimmten Erathostenes und 150 Jahre später auch Posidonius den Radius der Erdkugel. Etwa 100 n. Chr. schrieb Ptolemäus ein Lehrbuch für die Erdmessung und Kartographie, das 800 Jahre später von den Arabern übersetzt und als Almagest auch in Europa benutzt wurde. In diesem wird auch das geozentrische Sonnensystem (Ptolcmäischcs System) beschrieben, nicht aber das von Aristarch bereits 350 Jahre vorher mitgeteilte heliozentrische System, das dem 1500 Jahre später aktuellen kopernikanischen System entspricht. In Griechenland wurden die Erdmcssung und die Lehre von der Struktur des Sonnensystems auf eine wissenschaftliche Basis gestellt. Auch für die Landes- und Ingenieurvermessung wurden neue Hilfsmittel und Theorien bereitgestellt. Dadurch wurden Entdeckungsreisen angeregt und die Geographie und die Kartographie bereichert. Die Informationen über die Figur der Erde und ihre Eigenschaften wurden erheblich vermehrt und vertieft. Für die Ingenieurvermcssung und für die Landesvermessung wurden neue theoretische Erkenntnisse bereitgestellt, welche die wirtschaftliche Erschließung der Länder durch den Bau von Städten, Straßen, Wasserleitungen, Bergwerken u. a. wesentlich verbessert haben.

Römisches Reich


Nach dem Zusammenbruch der griechischen Staaten übernahm Rom die Nachfolge als Weltmacht, nicht aber als geistiges Zentrum. Das Interesse Roms galt nicht den Wissenschaften an sich, sondern ihren praktischen Anwendungen. Die reinen Wissenschaften wurden in Randgebieten des Imperiums, vor allem in Alexandria gepflegt.

Das römische Vermessungswesen ist durch seine Organisation und seine großräumigen Projekte gekennzeichnet. Die Vermessung des Limes, bei der gerade Linien von mehr als 100 km Länge mit geringen Abweichungen von nur ± 1m abgesteckt wurden, die Trassierung von über 90 km langen Wasserleitungen, die Absteckung eines Rasters mit etwa 700 m Seitenlängen für eine 100 Quadratkilometer überdeckende Centurionsiedlung in Tunis, sind Beispiele hierfür. Ebenso die unter Cäsar vom Senat angeordnete Vermessung des gesamten Reichsgebietes und dessen Darstellung in einer Reichskarte sowie auch Straßenkarten für die 10 000 km langen Haupt- und 200 000 km langen Nebenstraßen des Reiches.
Für die Durchführung dieser gewaltigen Vcrmessungsleistungen wurden Agrimensoren ausgebildet und vereidigt, und zwar Msstechniker (gromatici), Grenzingenieure (finitores) sowie Ackerrichter für die Zuteilung der Felder. Auch für die Durchführung von militärischen Aufgaben wurden Agrimensoren eingesetzt. Zur Theorie der Erdmessung und Landesvermessung wurde aber in Rom wenig beigetragen. Nach Cantor haben die Römer für die Feldmesskunst der Griechen eine aufbewahrende Mittelstelle abgegeben und ähneln darin den Arabern, nur dass sie weniger in sich aufnahmen, entsprechend ihrer geringen mathematischen Begabung. Hinzuuerfunden haben sie so gut wie nichts, höchstens einige Operationen wirklicher Feldmesskunst.

China


Die Geschichte Chinas beginnt im 3. Jahrtausend vor Christus. Die älteste bekannte Landkarte stammt aus dem 2. Jahrtausend, bereits im 11. Jahrhundert fand eine Vermessung des gesamten Staatsgebietes statt. Um 100 v. Chr. wurde (von Chan Tsang) ein neunbändiges Lehrbuch der Mathematik publiziert. in dem auch Regeln für die Durchführung von Vermessungen enthalten sind. Andere Bücher beschreiben Instrumente, formulieren und lösen praktische und theoretische Aufgaben der Vermessung. Im 3. Jahrhundert wurde eine Karte des Reiches mit 18 Blattern angefertigt.

Als Erdmodell wurde erst eine rechteckige Fläche und dann eine konvexe sphärische Schale innerhalb der Himmelskugel angenommen. Das Niveau der Vermessung im alten China entsprach in mathematischer und instrumenteller Hinsicht dem der Ägypter und Römer, in der Erdmessung fehlte der Höhenflug der Griechen.
In der Tang Dynastie (7. his 9. Jahrhundert) änderte sich das Bild. Eine Akademie der Wissenschaften wurde gegründet, alle Wissenschaften, auch die Vermessung, erlebten einen Aufschwung. Im Jahre 725 wurde zur Bestimmung der Erdfigur ein etwa 3000 km langer Gradbogen gemessen, der zu einem besseren Wert des Erdradius fuhren sollte als die 200 km langen, ungenauen Gradbogen der Griechen.

Arabisches Reich


Nach der Eroberung von Spanien im 8. Jahrhundert entstanden im Großarabischen Reich beachtenswerte kulturelle Leistungen. In der Mathematik wurden die noch heute benutzten arabischen Zahlen, die Grundlage des Dezimalsystems, eingeführt. Natürlich profitierte auch die Erdmessung von dieser Blütezeit. Anfang des 9. Jahrhunderts, etwa 1000 Jahre nach der griechischen und etwa 100 Jahre nach der großen chinesischen Gradmessung, wurde eine arabische Gradmessung mit einem Bogen von 2 Grad (ca. 220 km) ausgeführt. Außerdem wurde ein neues Verfahren für die Bestimmung des Erdradius aus Höhen und Höhenwinkeln angegeben.

Nach den Regeln von Ptolemäus und mit den Erfahrungen der Handelsleute, Krieger und Diplomaten wurden verbesserte Land- und Weltkarten angefertigt. Für die praktische Vermessung stand eine als Misaha bezeichnete Lehre, die von Feldmessern, Kataster- und Steuerbeamten sowie Baumeistern bis etwa 1600 benutzt wurde, zur Verfügung.

Neuzeit bis Gegenwart

Nach den vorhergehenden Ausführungen haben im antiken Griechenland die Erdmessung und in Ägypten und Rom die Landes- und Ingenieurvermessung eine bedeutsame Entwicklung erfahren. Aus dieser folgten wiederum wesentliche Beiträge, welche die technische Aufschließung der Länder und die Vermehrung der Erkenntnisse über unsere Welt betroffen haben. Die durch die Vermessung vermittelten Informationen haben daher für die geistige Entwicklung Grundlagen geschaffen. Sie waren aber auch Voraussetzung für die Einbeziehung neuer Lebensräume der Welt und der Umwelt und für die Verwaltung dieser.

Mit der Verbreitung der christlichen Lehre begann eine Epoche des Glaubens. Die naturwissenschaftliche Forschung kam zum Stillstand und wurde durch Postulate ersetzt, die in heiligen Büchern entweder enthalten waren oder durch Auslegung daraus abgeleitet wurden. Die Kugclform der Erde wurde nicht mehr anerkannt. Erdmodell wurde wieder eine vom Meer umflossene Scheibe. Erst die im 16. Jahrhundert erfolgte Wiedergeburt der Kunst und der Kultur der klassischen Antike (Renaissance) führte auch in der Vermessung zu neuen Erkenntnissen und Verfahren und zwar sowohl für die Erdmessung als auch für die Landes- und Ingenieuvermessung. Dabei entwickelten sich die Kartographie, die Fernerkundung (Photogrammmetrie, Laserscanning) und die Vermessung mit Hilfe von Satelliten zu neuen Disziplinen, welche neben eigenen, auch Ziele der Vermessungskunde verfolgen.

Auslösend für die neue Phase der Erdmessung waren die 1543 von N. Kopernicus publizierten Ansichten Ober das heliozentrische Planetensystem, dessen Grundgedanken wie erwähnt - bereits 1900 Jahre zuvor von Aristarch (265 v. Chr.) ausgesprochen wurden.

In der Folgezeit fand eine stürmische Entwicklung der Theorien und der für die praktische Vermessung benötigten Instrumente und Verfahren statt. Kepler (1571- 1630) fand die Gesetze, nach denen sich die Planeten um die Sonne bewegen. Galilei (1564 -1642) wurde von der katholischen Kirche zum Widerruf der Lehre von Kopernicus veranlasst. Newton (1643 - 1727) entdeckte das übergeordnete Gravitationsgesetz. Zur Bestimmung der Figur der Erde wurden zahlreiche mathematische und physikalische Theorien ausgearbeitet, über welche Laplace (1749- 1827) zusammenlassend berichtet. Zur Bestätigung oder Widerlegung der neuen Theorien wurden Gradmessungen, astronomische Messungen und Schweremessungen ausgeführt. Damit hat die Erdfigur eine Entwicklung von der Scheibe zur Kugel. Ober das Ellipsoid zum kartoffelförmigen Geoid durchgemacht.

Meilensteine in dieser Entwicklung sind die Erfindung der Triangulierung (Snellius 1611) und des Theodolits (Sisson 1730) sowie verfeinerte Verfahren der Grad- und Pendelmessung und der astronomischen Positionsbestimmung. Ebenso die Begründung der ellipsoidischen Geometrie und der Ausgleichsrechnung durch Gauß (1777-7855). die Theorien von Molodensky (1925) zur Bestimmung der Erdfiguren als Randwertproblem, die Entwicklung der Entfernungsmessung mit elektromagnetischen Wellen, die Verwendung von Satelliten als geodätische Anschlusspunkte, als Träger von Messeinrichtungen und als zeitabhängiges Kontrollpunkt-System. Dazu kommen die Bereitstellung der Computer und damit die Automatisierung der Mess-, Rechen- und Zeichenvorgänge durch die Digitalisierung.